Alter Johannisfriedhof: Die Schöne und der Tod

Die Schöne und der Tod: Angesicht; Alter Johannisfriedhof, Leipzig, Foto: Andreas Bubrowski

Die Schöne und der Tod: Angesicht; Alter Johannisfriedhof, Leipzig, Foto: Andreas Bubrowski

Der Alte Johannisfriedhof in Leipzig, östlich des Augustusplatzes, genau hinter dem Grassimuseum gelegen, ist eine von Straßenlärm umtoste Insel innerer Stille, geöffnet täglich von 10 bis 18 Uhr. Glaubt man inzwischen weggegangenen Zeitzeugen, wurde an der Anlage seit 90 Jahren nichts verändert. Was, wenn die Grabplastiken und Statuen erzählen könnten, was sie in dieser Zeit alles gehört und gesehen haben – hören und sehen mussten?

„Es war beides“

Gut 100 Meter nördlich liegt das traditionsschwangere Druckereiviertel, von dem der dominierende Firmensitz des Reclam-Verlags, heute Max-Planck-Institut für Mathematik in den Naturwissenschaften, zeugt. Südlich vom Alten Johannisfriedhof, schräg gegenüber auf der anderen Straßenseite der Prager Straße, widersteht der klobige Klotz der LKG – der Leipziger Kommissions- und Großbuchhandelsgesellschaft – noch trotzig dem Zeitenwandel. Immerhin: Die LKG war die Verkörperung des Narrativs „Leseland DDR“. Kein anderes Land der Erde veröffentlichte mehr Bücher pro Kopf seiner Einwohner. Alle Bücher gingen hier durch. Hier hin „gute Beziehungen“ zu haben war essentiell, wollte man etwa ein Exemplar kleiner Auflagen westlicher Autoren oder gar „Dissidentes“ ergattern.

Der Alte Johannisfriedhof ist ein historischer Friedhof, der seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts nur noch als museale Parkanlage genutzt wird. Diese zeichnet sich durch großzügige Rasenflächen und Baumbestände aus. Sowohl auf den Rasenflächen als auch an den Mauern befinden sich sehenswerte historische Grabsteine. (Quelle: www.leipzig.de)

Alter Johannisfriedhof, Seeburgviertel, Zentrum-Südost, Mitte, Leipzig, Sachsen, 04103, Deutschland

Der Alte Johannisfriedhof ist der älteste Friedhof der Stadt Leipzig

Im Sommer 2021 weckt an einem späten Nachmittag eine junge Frau den Besucher aus seinen Tagträumen. Ich hatte mich, Einkaufstaschen behangen, aus dem nahen Stadtzentrum hier her geflüchtet. Sie: „Wann wird hier geschlossen“. Ich: „Keine Ahnung, aber der Wachdienst wird sich schon melden…“ Sie ging, ich zurück zur Bank. Da rief er schon, der Wachdienst. Es war 18 Uhr. So ein Zufall! Die Besucherin, die mich engesprochen hatte – eine Künstlerin, wie sich herausstellen wird – steht am Eingang. Auf Nachfrage zeigt sie mir ihren Block mit gerade angefertigten Skizzen von „Der Schönen und der Tod“. „Wo steht das?“ Wie oft hier gewesen und doch übersehen. Ob nur die Skizze so faszinierend war oder auch die Grabplastik selbst? Es blieb nichts anderes übrig, es am nächsten Tag selbst zu ergründen. Es war beides. ANDREAS BUBROWSKI