Dresden, ein Wochenende Anfang November – Tatsächlich war beim Konzert von ESTÁS TONNÉ & FRIENDS im JAZZCLUB TONNE, am Rande der Inneren Altstadt Dresdens, ganz hinten noch Platz für Konzertbesucher. Tags zuvor, im Erlwein Capitol, gab es lange schon keine Karten mehr. Das kurzfristig terminierte Zusatzkonzert hatte sich offenbar noch nicht herumgesprochen. Also Gitarren-Magie in gehobener Club-Atmosphäre!
Dass Estás Tonné „irgendwie“ außergewöhnlich ist, wird nicht nur durch seine an Invokationen erinnernde Magie an der Gitarre deutlich. Der Musiker, der auf Festivals und Konzerten mit anspruchsvollen Eintrittspreisen stets vor ausverkauften Sälen spielt, kann mit etwas Glück auch als Straßenmusikant in einer Kleinstadt der Provinz gefunden werden – dort, wo Straßenmusik mit Hutgeld, also eher mit Münzen, vergolten wird. Und wie kann es angehen, dass ein Musiker HEUTE in Kiew spielt – und zwei Tage später in Moskau oder umgekehrt? Man ahnt dann, Estás Tonné ist nicht nur Musiker, sondern auch Wanderer zwischen Welten.
Beim mehr als einstündigen Warten auf den Einlass zum zweistündigen Konzert berichtet ein Dresdner, der Estás Tonné im Vorjahr erlebt hat, damals in der Kreuzkirche, dass während der Aufführung auf den Rängen Yoga-Jünger mit „ihren Übungen“ begonnen hätten. Und auch an diesem Abend trifft man zumindest einen jungen Mann der schon beim Soundcheck hinter der verschlossenen Tür in Verzückung zu geraten scheint, um unvermittelt andere Besucher harsch anzugehen, die ihren Unmut über das lange Warten äußerten. Es riecht also nach Kult, Intoleranz, Sekte gar? Ach was. Kann man die Sonne dafür anklagen, dass sie gleichermaßen auf den Weisen, den Narren und sogar auf den Barbaren und Mörder scheint?
Estás Tonné scheint sich magisch allen Kategorisierungen zu entziehen
Wer Estás Tonné erlebt kommt in der Tat nicht umhin, einen indischen Ursprung seines Werkes zu mutmaßen. In den Weisheitslehren der Hindus finden sich Hinweise darauf, dass Musik subtile astrale Wesenheiten, Devas, anzuziehen vermag. Begnadete Musiker können also mit ihrem Instrument oder ihrer Stimme solche Devas bewusst oder unbewusst herbeirufen. Einmal in der Nähe der Aura des Musikers, kann es zur genialen Interaktion zwischen Devas und Musiker kommen. Alle großen Sinfonien etwa sollen das Ergebnis einer Symbiose Musiker-Devas sein. Esoterische Imagination? Wer einmal Estás Tonné erlebt, wird vermutlich eines Besseren belehrt.
Estás Tonné & Friends @ Jazz Club Tonne Dresden 05.11.2016
© Shiny Riffs/Youtube
Was immer man zu den Quellen seiner Inspiration denken mag – Estás Tonné scheint sich magisch allen Kategorisierungen zu entziehen. Trifft man ein erstes Mal auf ihn, sei es in einem Video oder bei einem Konzert, dann drängt sich der Eindruck auf: Ah, George Harrison lebt doch noch! Estás Tonné mag von vielen Menschen als Guru, also als spiritueller Meister, verehrt werden, aber er tritt völlig unprätentiös, also „ganz normal“ auf. Die wenigen Augenblicke am Ende des Konzerts in Dresden, da es kurz zu einer Interaktion mit dem Publikum kam, offenbarten eine fast fragil wirkende Wesenheit, einen sympathischen Menschen, einen liebevollen Zauberer und Impulsgeber. Impuls wofür? Das musste jeder mit sich selbst ausmachen. ANDREAS BUBROWSKI
Linksunten: Está Tonné – offizielle Webseite