Montségur: Lass dein altes Leben hinter dir

Launige Bildnotizen von einer Reise ins Land der Katharer

Montségur (franz.), Montsegur (okzit.), sicherer Berg | Bild: Andreas Bubrowski

Montségur (franz.), Montsegur (okzit.), sicherer Berg.

Touristisch geben der 1.200 Meter hohe Montségur und das Dorf gleichen Namens unterhalb wenig her. Doch 40 Jahre lang, also so lange wie nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges zwei deutsche Staaten existierten, von 1204 bis 1244, haben an diesem Ort Katharer gelebt. 40 Jahre widerstanden die Menschen an ihrem „sicheren Berg“ dem von Intoleranz und Dogmatismus getriebenen Terror staatlicher und kirchlicher Machteliten und lebten ein gottgeweihtes Leben, das anderen Grundsätzen als den Dogmen des Kirchenchristentums folgte.

Kein einziger Katharer schwört ab

Nach zehnmonatiger Belagerung des zum Castrum ausgebauten Gipfeldorfes durch Kreuzritter, müssen die Bewohner kapitulieren. Es wird eine zweiwöchige Waffenruhe vereinbart. Danach: Nicht-Katharer dürfen gehen; Katharer erhalten die Gelegenheit, ihrem Glauben abzuschwören. Doch kein einziger Katharer nimmt das menschenverachtende Angebot an. Am 16. März 1244 steigen Bewohner und Verteidiger des Castrums vom Montségur herab. Ein kurzer Weg von kaum einer halben Stunde. Über 220 steigen am Fuße des Pog auf den errichteten Scheiterhaufen, freiwillig, keiner muss gefesselt werden. Auch einige nicht-katharische Soldaten teilen freiwillig das Schicksal.

Damit endet der bislang einzige gegen Christen gerichtete Kreuzug der Geschichte. Begleitet von grausamsten Massakern mit Zehntausenden Toten wird das Land der Katharer schließlich von Papst und französischer Krone erobert und gleichgeschaltet. Das Castrum auf dem Montségur wird geschliffen. Der Berg fällt willigen Mittätern unter den Edelleuten zu, die auf den Grundmauern des Castrums eine neue Burg erbauen – die Reste davon kann man heute besichtigen. Massenmord, Zerstörung ganzer Städte – nichts wird helfen. Noch bis in das 14. Jahrhundert hinein bleibt das Katharertum lebendig. Erst jahrelanger Gesinnungsterror der Inquisition, der Dorf für Dorf, Hütte für Hütte, jeden Einzelnen maliziösen Verhören unterzieht, lässt die tapferen Menschen schließlich ihren die Unsterblichkeit in Aussicht stellenden Glauben in die Tiefen ihres Unterbewusstseins sinken.

Montségur

Lass dein altes Leben hinter dir

Touristisch geben der 1.200 Meter hohe Montségur und das Dorf gleichen Namens unterhalb wenig her. Das ist ganz im Sinne der Katharer. Sie wollten keine dauerhaften Spuren hinterlassen. Sie maßen dieser Welt, die mit all ihren trügerischen Freuden und nie endenden Leiden für sie eine Welt des Teufels war, keine Bedeutung zu. Das einzige was zählt: Den Bindungen an diese Welt entkommen. Ihr Wort, ihre Überzeugung, ihr Gelübde waren ihnen gleichwertig – ja bedeutsamer – als das Leben in einer materiellen Form. Die als Abschreckung gedachte Drohung mit dem Feuertod ging mit dem friedfertigen Besteigen des Scheiterhaufens nachhaltig nach hinten los. Der als gnadenloses Strafgericht und grausames Tötungsritual geplante Akt verwandelte sich Dank der über 220 Märtyrer in eine magische Transformation materieller Dunkelheit in spirituelles Licht. Den konkreten Prozess des Übergangs nannten die Katharer Endura.

Als catars, als martirs, del pur amor crestian. 16 de març 1244 | Bild: Andreas Bubrowski

Stele am Fuße des Montségur: „Als catars, als martirs, del pur amor crestian. 16 de març 1244“.

Die Endura der Katharer am Fuße des Montségur im Frühjahr 1244 hat die Gegend um den schroffen Kalksteinhang und die ganze Region unauslöschlich imprägniert. Womit? Das Streben des katharischen Glaubens lässt sich vereinfacht so zusammenfassen: Lass dein altes Leben hinter dir! Das ist aber keineswegs WÖRTLICH-PHYSISCH zu verstehen. Es ist ein Frage der inneren Haltung, des individuellen Erkennens von Täuschungen, der subtilen Reflexion von gut und böse, des klaren Durchschauens von Sein und Schein, des Wahrnehmens des eigenen Weges. Die kollektive spirituelle Transformation von 1244 hat den Ort geheiligt, nach menschlichem Ermessen für immer und alle Zeiten. Damit ist Montségur eine Art heiliger Berg. Die ganze Gegend sei „besonders“ sagen alle die dort leben oder die dort jemals verweilten und sei es für kurze Zeit. ANDREAS BUBROWSKI

Los Cátaros de Montségur

LOS MARTIRES DEL PURO AMOR

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