Dämmerung – Zeitreise zu den Wurzeln des Heute

Bilder zur Waggonhalle Produktion Nr. 26: Hotel zur langen Dämmerung. 19. März 2016, Marburg

Produktionen der Waggonhalle in Marburg boten immer schon junges, experimentelles, unterhaltsames Theater. So sicher auch die Produktion Nr. 26, „Hotel zur langen Dämmerung“, könnte man vermuten. Dann vor Ort nach einem Blick auf den Programmflyer und angesichts der beiden sich warm spielenden Musiker – beide waren in den 1980er Jahren jung – kriecht Enttäuschung hoch. Wird das eine sentimentale Zeitreise in die Vergangenheit?

Dass dann Schauspieler ans Werk gingen, die Begriffe wie „BRD“, „D-Mark“, „Startbahn West“, „DDR“, Doppelbeschluss“ nur aus vergilbten Büchern kennen konnten, ließ die Rückschau zu einer höchst lebendigen Zeitreise in die 1980er Jahre werden – hin zu manchen gesellschaftlichen Verwerfungen im Heute. Die beiden Musiker, Anita Naumann (Gesang) und Gangolf Seitz (Klavier) entpuppten sich als genau richtig für diesen Job, man konnte sie als Metapher alt gewordener Krautrocker von damals sehen – aber mit unverändert virtuosem Spiel und heller Stimme mit zeitlosen Liedern von der Suche, der Liebe, der Sehnsucht und dem Hoffen auf Frieden.

Am Ende der Zeitreise Selbstzerstörung?

Es ist fraglich, ob der Autor und Erzähler im Hintergrund, Willi Schmitt, eine solche Zeitreise beabsichtigt hat. Denn streckenweise wirkt das Drama sehr wohl wie eine von Enttäuschung (über die ausgebliebene Weltverbesserung) durchzogene Rückschau eines in die Jahre gekommenen linken Aktivisten der 1980er Jahre. Egal, der impulsierende Zweck heiligt das künstlerische Mittel.

Friede, Freude, Eierkuchen am Ende? Eher mulmiges Gefühl. Ist unsere Zivilgesellschaft nicht gerade dabei das zu tun, was die Freundin des zur Bundeswehr eingezogenen Jungen versucht sich anzutun, sich vor den stets ins Leere laufenden Versuchen der Selbstverwirklichung – ob in einer Gruppe oder Partnerschaft oder als Ego – selbst zu zerstören? ANDREAS BUBROWSKI

Linksunten: HOTEL ZUR LANGEN DÄMMERUNG

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